Bis in die Fünfzigerjahre waren die Kennzeichen erwecklich-pietistischer Frömmigkeit typisch für die deutschen Baptisten: ausschließliche Orientierung an der Bibel in allen Fragen der Glaubens und Lebens, auch der Gemeindestruktur, stark missionarische Ausrichtung, pietistische Jesusfrömmigkeit mit deutlicher Betonung auf Bekehrung und zeugnishaftem Leben, nicht selten eine durch die Minderheitssituation geförderte Inselmentalität (Gemeinde als Zion).

Die theologischen Positionen Onckens und seiner Zeit waren im Glaubensbekenntnis von 1847 festgehalten, das – mit einigen Varianten aus der zweiten Generation – bis zum 2. Weltkrieg benutzt wurde und – abgesehen in den spezifisch baptistischen Artikeln über Gemeinde und Taufe – reformatorisches Gedankengut vortrug, meist in calvinistischer Ausdeutung mit einigen lutherischen Akzenten, die auf Lehmann zurückgehen, der, herrnhutisch geprägt, den deutschen Baptisten für Frömmigkeit und Gemeindeleben pietistische Elemente vermittelte (Liebesmahl; Lieder der Herrnhuter). Bis zum 2. Weltkrieg feierten die deutschen Baptisten das Abendmahl in geschlossener Weise nur mit „gläubig Getauften“; aufgrund engerer geistlicher Gemeinschaft mit anderen Christen in den Krisenzeiten des Dritten Reiches, des Krieges und der Kriegsgefangenschaft vieler Pastoren sowie ökumenischer Kontakte sind sie aber seit den 6oer Jahren zunehmend von dieser Praxis abgekommen. Beibehalten aber wurde das Prinzip der „Gemeinde gläubig getaufter Christen“, Gemeinden mit „offener Mitgliedschaft“ sind im deutschen Bund die absolute Ausnahme.

Kennzeichnend für die Frömmigkeit ist wie in allen Kirchen auch das jeweils gesungene Liedgut. Während die erste Generation neben einigen evangelischen Chorälen vor allem eigene Lieder (viele von Julius Köbner, dem Herausgeber des Gesangbuchs „Glaubensstimme“) und die Lieder der Herrnhuter sang, traten von der zweiten Generation Evangeliumslieder hinzu, viele in Übersetzungen des Deutschamerikaners Walter Rauschenbusch, der eine vielfach aufgelegte deutsche Ausgabe von Sankeys „Gospel Hymns“ („Evangeliumssänger“) veröffentlichte, die – bei den Deutschen in Osteuropa – bis heute verbreitet ist. Das derzeitige Gesangbuch „Gemeindelieder“ enthält etwa 30% Lieder aus dem 20. Jahrhundert, 22% aus der Erweckungsbewegung, 23% aus der Zeit des Pietismus und 25% aus den klassischen Epochen evangelischer Choräle (von Luther bis Paul Gerhardt). 1993 erschienen zusätzlich die „Neuen Gemeindelieder“, die einen repäsentativen Querschnitt aus verschiedenen neueren Frömmigkeitsprägungen und modernen Stilrichtungen repräsentieren.

1977, in der DDR 1978 wurde auf Beschluß des jeweiligen Bundesrates den Gemeinden ein neues Glaubensbekenntnis, die „Rechenschaft vom Glauben“ zum Gebrauch empfohlen, erarbeitet von einer internationalen Kommission aus beiden deutschen Staaten, Österreich und der Schweiz. Diesem Text ist deutlich zu entnehmen, daß die Verfasser bestimmte Entwicklungen der protestantischen Theologie rezipiert haben und so insbesondere manche Akzentsetzungen der neueren Wort-Gottes-Theologie Eingang fanden. Standen an der Spitze der biblischen Belegstellen im Onckenschen Glaubensbekenntnis solche aus der Apostelgeschichte, so sind dies jetzt solche aus dem Römer- und 1. Korintherbrief. (Die in den Ausgaben von 1977 (West) bzw. 1978 (Ost) nicht einheitlichen Fassungen des Artikels „Glaube und Taufe“ wurden 1995 durch eine gemeinsame neue Version ersetzt.)

Während die Einflüsse der alten Pfingstbewegung vom Anfang des 20. Jahrhunderts gering blieben, sind Impulse der Heiligungsbewegung aufgenommen worden. Einen erheblichen Einfluß gewann auf manche Personen und Gemeinden und auf die Gestaltung der Gottesdienste (Anbetungslieder) die neuere charismatische Bewegung, teilweise auch die neuere theologisch konservative evangelikale Neuorientierung (Lausanner Bewegung), weniger die von den deutschen Baptisten als aggressiv empfundene fundamentalistische Strömung. Dies alles hat dazu geführt, daß die deutschen Baptisten seit einiger Zeit lebhaft über ihre Identität diskutieren, die frühere Homogenität also der Vergangenheit angehört.

Die älteste Einrichtung des Bundes ist das Verlagshaus, das von Oncken bereits 1828 gegründet wurde und seit 1879, vom Deutschamerikaner Philipp Bickel (1829–1914) reorganisiert, dem Bund gehört. Der Oncken Verlag Kassel produziert die wöchentlich erscheinende Magazin „Die Gemeinde“, das evangelistische Verteilblatt „Friedensbote“ sowie zahlreiche Zeitschriften für alle Sparten der Gemeindearbeit und verfügt über eine leistungsstarke Versandbuchhandlung. Bücher – nicht nur für den baptistischen Bereich – erscheinen im Oncken Verlag Wuppertal. Besonders die Herausgabe von Predigten und Schriften C. H. Spurgeons hat den Oncken Verlag weithin bekannt gemacht.